Die ersten Wochen und Monate eines Kalenderjahres sind für Legal Counsel, die (börsenotierte) Aktiengesellschaften und Europäische Aktiengesellschaften in gesellschaftsrechtlichen Belangen beraten, besonders brisant und arbeitsintensiv. Geschäftsbericht, Corporate Governance Bericht und (oft auch) Bericht des Aufsichtsrates sind ebenso vor- und aufzubereiten wie die ordentliche Hauptversammlung.
Wie die leidgeprüften Kollegen unter uns sicher wissen, ist es eine große Herausforderung, mögliche Fragen der Aktionäre zu eruieren und die passenden Antworten darauf vorzubereiten, damit in der Hauptversammlung aufkommende Fragen auch prompt beantwortet werden können. Dieser Blog befasst sich daher mit der Frage, ob und inwieweit einem Aktionär nach dem österreichischen Aktienrecht überhaupt ein Auskunftsrecht zukommt:
Gemäß § 118 Abs. 1 AktG ist jedem Aktionär auf Verlangen in der Hauptversammlung Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung eines Tagesordnungspunktes erforderlich ist. Nach herrschender Meinung ist die Frage, ob ein Auskunftsverlangen für die Beurteilung des Tagesordnungspunktes relevant ist, eher großzügig zu beurteilen. Bei einer Gesellschaft im Konzernverbund kommt hinzu, dass sich das Auskunftsrecht des Aktionärs auch auf die rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen der Gesellschaft zu einem Konzernunternehmen bezieht.
Fraglich und vom Gesetzgeber ungeklärt ist allerdings, ob und inwieweit Angelegenheiten in konzernverbundenen Unternehmen vom Auskunftsrecht erfasst sind. Die herrschende Meinung geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass besonders wichtige Vorgänge in verbundenen Unternehmen, welchen konzernweite Bedeutung zukommt, ebenso dem Auskunftsrecht des Aktionärs unterliegen wie eigene Angelegenheiten der Gesellschaft.
Adressat und Schuldner des Auskunftsverlangens ist die jeweilige Gesellschaft.
Die vom Aktionär verlangte Auskunft darf gemäß § 118 Abs. 3 AktG verweigert werden, wenn und soweit sie nach vernünftiger unternehmerischer Beurteilung geeignet ist, dem Unternehmen oder einem verbundenen Unternehmen einen erheblichen Nachteil zuzufügen. Die Auskunft darf gemäß § 118 Abs. 4 AktG auch verweigert werden, soweit sie auf der Internetseite der Gesellschaft in Form von Frage und Antwort über mindestens sieben Tage vor Beginn der Hauptversammlung durchgehend zugänglich war.
Verweigert der Vorstand eine vom Aktionär verlangte Auskunft zu Unrecht, hat der Aktionär die Möglichkeit, sein Auskunftsrecht gerichtlich durchzusetzen. Der Vorstand oder Aufsichtsrat, der in der Hauptversammlung Verhältnisse unrichtig wiedergibt, verschleiert oder verschweigt (was ja durch die Verweigerung einer Auskunft auch geschehen kann), macht sich zudem gemäß § 255 Abs. 1 Z 3 AktG strafbar. Schließlich darf nicht unbeachtet bleiben, dass die unberechtigte Auskunftsverweigerung auch zur Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen berechtigen kann.
Angesichts dieser nicht unerheblichen Rechtsfolgen empfiehlt es sich daher, die Frage, ob und inwieweit der Vorstand oder Aufsichtsrat die verlangte Auskunft verweigern darf oder nicht, für den jeweiligen Einzelfall gründlich zu prüfen und reiflich zu überlegen bzw. im Zweifelsfall eher dem Auskunftsverlangen des Aktionärs nachzugeben als die Auskunft zu verweigern.